Sollte man in Wachstumsmärkte investieren?
Betrachtung von Wachstumsmärkten
Im Allgemeinen kennt man die üblichen Trends und wie Sie ablaufen. Die breite Masse der Anleger bekommt am Anfang teilweise nichts mit. „First Mover“ machen also oft die größten Renditen. Oft fehlt auch das Wissen, um wirklich einzuschätzen, ob sich Technologien durchsetzen und ob Unternehmen wirklich etwas beizutragen haben oder nicht.
Das fehlende Wissen zieht sich allerdings oft länger durch. Später dann nehmen die Trends Fahrt auf und Anleger versuchen, auch getrieben von Gier (Fear of missing out, FOMO…), Renditen einzufahren. Ihr kennt wahrscheinlich alle ein paar Trends, sei es bei großen Branchen oder bei Einzelaktien.
Zu nennen sind zum Beispiel die Tulpenmanie, die Dotcom-Blase, der Cannabis-Boom, Halbleiteraktien oder gleich der Techaktien im Allgemeinen. Hier spielen auch psychologische Effekte eine Rolle und viele Anleger verlieren sich im Suchen der Überrendite. Leider gibt es wie immer Risiken.
Eigenschaften von Wachstumsmärkten
In stark wachsenden Branchen werden zukünftige Gewinne noch stärker als sonst am Aktienmarkt mit eingepreist. Die KGV-Werte sind dementsprechend hoch, was aber nicht zwangsläufig ein schlechtes Signal sein muss. Entsprechende Unternehmen sind oft kapitalhungrig, zahlen meist keine Dividende und steigern im Optimalfall ihre Gewinne und Umsätze rasant.
Es gibt in Wachstumsmärkten oft viele Wettbewerber und noch nicht gesetzte regulatorische Maßnahmen (zum Beispiel seitens des Gesetzgebers), kaum klare „Goldstandards“ (perfekte Verfahren zum Beispiel hinsichtlich der Fertigung oder Produktion) und auch noch keine klaren Gewinner. Ebenso gibt es oft schnelle Änderungen oder auch höhere Schwankungen im Kurs. Totalausfälle können wie immer auch passieren, treten aber öfter auf. Von den Eigenschaften kommt man also schnell zu den Risiken…
Risiken
Renditeüberlegungen
Natürlich sind gerade bei Small Caps und auch bei schnell wachsenden Branchen/Unternehmen die Renditeerwartungen höher, beziehungsweise verzeichnet eine Branche mehr Umsätze und Gewinne im Jahr. Die Branche findet nämlich ihren Platz in der Welt oder eben keinen Platz, worin das erste Problem liegt. Ein Durchsetzen einer Branche beziehungsweise eine Ewigkeit jeglicher Branche ist nicht garantiert.
Auch Trends können sehr schnell zusammenfallen, weil verstanden wird, dass die Branche wohl doch keinen wirklichen Platz einnehmen wird in der Wirtschaft. Auch kann der die Wichtigkeit der Branche überschätzt werden. Das führt dann dazu, dass sich viele Unternehmen nicht halten können und dann auch wieder zu einer konservativeren Bewertung tendieren, also abgestraft werden in dem Fall.
Das sieht man sehr oft, wenn bei Wachstumsunternehmen sogar ein starkes Gewinn- oder Umsatzwachstum erzielt wurde. Selbst dann kann es noch zu Kursrutschen kommen, weil der „Markt“ weit mehr Wachstum eingepreist hatte. Guckt Euch zum Beispiel mal DocuSign an, die Zahlen lagen über den Analysteneinschätzungen und trotzdem ist der Kurs abgerauscht.
Das sind dann teilweise sehr starke einbrüche und der Börsenwert kann sich dann auch einmal eben halbieren. Natürlich sind aber auch rasante Steigerungen möglich. Das Potenzial für große Bewegungen gibt es also auf beiden Seiten. Des Weiteren muss man wissen, dass man nie weiß, ob man gerade auf der Welle mitschwimmt oder ob man bald abgestraft wird.
Das Risiko ist besonders dadurch erhöht, dass die Kurse teilweise auf starken Annahmen für die Zukunft beruhen. Manche Anleger versuchen, die Aufwärtsbewegungen fernab jeglicher Bewertung mitzunehmen und dann die Gewinne zu sichern. Das kann klappen, aber auch eben zu starken Verlusten führen.
Branchenbeispiel Cannabis
In der Cannabisbranche finden sich viele Unternehmen, die aber oft noch gar nicht wirklich einen festen Marktanteil haben. Die Produktvielfalt ist groß und ebenso auch regulatorische Unsicherheiten. In manchen Ländern ist es legalisiert, in manchen geduldet, in manchen verboten und in wiederum anderen für medizinische Zwecke zugelassen.
Viele Händler bekamen schon Ware abgenommen, obwohl zum Beispiel CBD erlaubt war oder Ähnliches. Die Anforderungen hinsichtlich Geruch, Beschaffenheit, Anteil verschiedener Cannabinoide (THC, CBD) variiert je nach Produkt und Anwendung.
Es gibt Kapseln, Tropfen, Cannabisblüten an sich, Kaugummis und noch viele weitere Produkte. Die Anbieter prügeln sich um Marktanteile und auch private Anbauer oder nicht börsenorientierte Anbauer spielen eine Rolle. Hier sieht man oft einen einfachen Zusammenhang: „Ich habe gehört, dass Cannabis jetzt auch in Deutschland legalisiert werden soll und welche Aktie sollte ich kaufen.“ Solche oder eben ähnliche Fragen hört man je nach Kontext bei vielen Trends. Zunächst einmal muss klar sein, dass 1) Aktien eines Unternehmens nur aufgrund eines vielleicht bestehenden Marktes nicht automatisch steigen und 2) eine fundamentale Basis vorhanden sein sollte. Die 3) Frage ist auch, wieso dann gerade die von einem selbst ausgewählte Aktie steigen sollte.
Es kann ja auch genauso gut ein anderes Unternehmen durch Zufall, durch bessere Produkte, durch besseren Kundenservice etc. der Gewinner sein. Generell sind an der Börse und bei vielen Themen im Leben die ganz einfachen Darstellungen nicht zielführend. Kaufüberlegungen wie „ja mein Freund hat damit 300% gemacht“ oder „guck mal wie stark die Aktie bisher performt hat“ sind einfach nicht zielführend.
Guckt man sich die Cannabisbranche an, sind vor allem die „First Mover“ der Aktienkäufer, Trenderkenner und Glücklichen bei den großen Renditen dabei. Zum Beispiel hat man mit manchen Cannabis-Aktien bis heute eine gute Rendite, da man früh genug dabei war.
Canopy Growth
Fraglich ist aber auch hier, ob das Unternehmen weiterhin bestehen kann. Außerdem: Wann nimmt man die Gewinne mit? Kann man mit dem Unternehmen im Depot ruhig leben? Das sind paar der Fragen, die man sich stellen sollte.
Mittlerweile sieht es bei Canopy Growth analog zu vielen anderen Unternehmen der Branche nicht mehr rosig aus. Der Gewinn fällt rasant und das Wachstums ist gebremst. Es ist einfach nicht genug Gewinn/Umsatz für alle da. Die Schulden steigen, was besonders bei einer geänderten Zinspolitik dann für zusätzliche Probleme sorgen kann.
Ich (Max) beispielsweise bin rechtzeitig bei Canopy Growth raus. Grund für den Verkauf war, dass ich einfach bei einem Trend mitgemacht hatte, ohne Ahnung zu haben, sofern man überhaupt jemals den Markt verlässlich timen oder einschätzen kann.
Ihr seht also, dass ich mit einem vernachlässigbaren Profit herausgekommen bin. Beim Verkauf stand der Kurs bei 17,908€ und heute nur noch bei grausamen knappen 9€. Also eine Differenz von ca. 50%. Das Geld wäre also weg gewesen und Canopy Growth geht es wirklich nicht gut. 1,7 Milliarden CAD (kanadische Dollar), also 1,33 Milliarden US-Dollar wurden 2021 bis jetzt laut Bilanz verloren.
Weitere Cannabisaktien
Am Ende des Tages ist es auch eine Frage des Anlegertyps. Selbst wenn man seit 2014 bis heute einen Gewinn hat, woher soll man wissen, wann man das bei welcher Aktie und wie wiederholen kann? Sollte man nicht lieber doch auf Bilanzen achten und dass zumindest eine fundamentale Basis da ist? Ebenso kann sich das Unternehmen natürlich noch durchsetzen und prächtig entwickeln. In starken Trend- und Wachstumsmärkten kristallisieren sich aber eben mit Dauer die Gewinner heraus. Viele Unternehmen packen es nicht. Guckt Euch gerne eine Auswahl an Cannabis-Unternehmen an:
Alle Aktien haben also stark negativ rentiert. Man kann sich nicht auf solide Bilanzen verlassen, die eine weitere Minderrendite verhindern.
Kognitive Fehleinschätzungen
Oft sagen Leute mit dem Blick auf Highflyer der letzten Jahre, dass es klar war. Es kommen oft Aussagen wie „da hätte ich doch fast investiert, es war so klar, dass die Aktie steigt“ oder Leute steigen dann viel zu spät auf. Manchmal muss man auch loslassen. An der Börse kann man oft und mit verschiedenen Möglichkeiten Rendite machen. Auf keinen Fall immer überall aufspringen.
Die Betrachung von Techaktien heute führt oft zu einem Survivorship Bias. Ihr solltet nie vergessen, dass, wenn Ihr viele Gewinner seht, die Verlierer oft gar nicht mehr zu sehen sind und somit von Euch gar nicht wirklich erfasst werden. Das führt zu falschen Rückschlüssen. Nicht jede Aktie wird das nächste Facebook, Amazon oder Netflix. Viele Internet-Unternehmen verloren mal eben 80%, als die Dotcom-Blase platzte.
Des Weiteren zieht man auf der Betrachtung der Vergangenheit wirklich nicht immer Informationen. Man kann nicht sagen, wie der nächste Wachstumsmarkt verläuft, welche Branchen dabei sein werden oder Ähnliches. Auch gibt historische Rendite bei konkreten Aktien/Branchen keine Sicherheit auf zukünftige rosige Aussichten.
Peter Lynchs Ansicht
Lynch beschreibt in seinem Buch „One Up on Wall Street“, wie man perfekte Aktien, die nächsten Tenbagger, findet. Dabei sagt er auch, welche Aspekte bei einem Unternehmen und der dazugehörigen Aktie vorhanden sein sollten. Er rät strikt ab, Unternehmen zu kaufen, die in einem absoluten Wachstumsmarkt sind. Oft gebe es da laut Lynch nämlich keine Gewinner.
Es werde kapitalintensiv gekämpft und oft verloren. Wenige Unternehmen schafften das. Viel besser sei laut ihm eine schnellwachsende Aktie in einem kaum, langsam oder mittelmäßig wachsenden Markt. Man sehe hierbei mehr Indikatoren für eine Überperformance, da sich ein klarer Gewinner also Marktanteile sichert. Also: Schnellwachsende Unternehmen gibt es auch in langsamen Branchen. Lynch sagt dazu: „There’s nothing thrilling about a high-growth industry, except watching the stocks go down.“
Er verweist auf den Teppich Boom in den 1950ern, den Elektronik Boom in den 1960ern und auf die Computer. In allen Branchen gab es wenige Gewinner und sehr viele Verlierer. Ablösungen in Wachstumsmärkten gehen schnell; jeder versucht, die Produkte der Wettbewerber zu übertreffen und Unternehmen verlieren auch mal schnell ihre Marktanteile.
Der Hunger auf den finanziellen Erfolg lockt zudem mehr Konkurrenz an. Eine „No Growth Industry“ hat also auch Vorteile. Lynch führt dabei gerne die „Bestattungsindustrie“ an. Dort gibt es die Service Corporation International, kurz SCI, die sich sehr schnell durch aggressive Übernahmen wuchs. Guckt Euch den Chart seit 1981 gerne selbst mal an:
Fazit
Auf Wachstumsbranchen kann man nicht verzichten, schließlich hatte jede Branche mal eine Phase mit viel Wachstum hinter sich. Es gab ja nicht schon immer fest die gleichen Branchen. Jeder der darüber hinaus zocken möchte, kann das auch gerne tun und sollte sich aber darüber im Klaren sein. Am besten eignet sich ein solider ETF-Anteil im Depot.
Bei den ETFs habt ihr, sofern Ihr in einen breitgestreuten ETF investiert, auch die jeweiligen Highflyer dabei, die schon immer für die durchschnittliche Rendite des Gesamtmarktes sorgen. Mit einer marktüblichen Rendite macht man nichts falsch.
Davon abgesehen könnt Ihr dann je nach Risikofreude Einzelaktien dazupacken und natürlich auch Wachstumsaktien. Ich hoffe, dass Euch die paar Betrachtungen und Überlegungen dieses Beitrags hier unterstützen können, wenn Ihr über ein Investment in einen Wachstumsmarkt nachdenkt.
Im Bereich der Einzelaktien solltet Ihr am ehesten mitnehmen, dass es schnellwachsende Unternehmen/Aktien auch in langsam- oder sogar gar nicht wachsenden Branchen gibt. Denkt immer daran, dass es in einer Wachstumsbranche viele und schnelle Verlierer gibt. Wir wünschen Euch wie immer nur die beste Rendite und sehen uns im nächsten Beitrag hier oder auf Instagram.
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