19. Januar 2022
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Wachstumsaktien

In den letzten Wochen wurden Wachstumswerte stark abgestraft. Grund dafür ist zum einen, dass durch die Inflation die im Kurs eingepreisten zukünftigen Gewinne weniger wert sind, zum anderen sind Abstrafungen auch im zweistelligen Prozentbereich bei Wachstumswerten keine Seltenheit, wenn zum Beispiel Prognosen oder Erwartungen verpasst werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit Wachstumswerten ist also wichtig. In der heutigen Investitionsumgebung aber sind Wachstumswerte nicht mehr wegzudenken.

Was ist eine Wachstumsaktie

Eine Wachstumsaktie ist zunächst einmal ein Unternehmen, welches ein hohes Umsatz- und Gewinnwachstum aufweist. Für den legendären Investor Peter Lynch musste ein „Fast Grower“, also ein Wachstumsunternehmen, ein Gewinnwachstum von 20% pro Jahr aufweisen.

Bei Wachstumswerten finden sich oft hohe KGV- und KBV-Werte. Anleger wollten und wollen gerade in einer Niedrigzinsphase auf keinen Fall gute Kursraketen verpassen. Also sind viele Gewinne bereits eingepreist. Falls dann aber Prognosen verfehlt werden oder sich das Zinsumfeld ändert, kann das schnell auf den Kurs schlagen. Trotzdem waren die Wachstumswerten, oft die Techaktien, in den letzten Jahren für große Zugewinne des MSCI Worlds verantwortlich.

Man denke nur an die FAANG-Aktien, also an Facebook (Meta), Amazon, Apple, Netflix und Google. Microsoft und NVIDIA wären natürlich auch noch zu nennen. Guckt Euch einfach mal an, wie viel Prozent des iShares MSCI World ETFs diese Unternehmen gerade ausmachen. Beim S&P 500, dem wichtigsten Index für die US-Wirtschaft, ist es auch so:

Welche Chancen ergeben sich?

Wenn die Prognosen stimmen und das Unternehmen auf Wachstumskurs bleibt, sind die alten Bewertungen sehr schnell überholt. Darauf zählt man gewissermaßen. Amazon oder andere Wachstumsgiganten waren einfach nie zu einem günstigen KGV zu kaufen. Man muss immer auch das Wachstum betrachten.

Peter Lynch bezeichnete das als „Growth at a reasonable price“. Das ist eine Art Mischung aus Growth- und Valueinvesting. Man achtet also darauf, dass man für ein Unternehmen in Anbetracht des Wachstums nicht zu viel bezahlt. Ein Unternehmen mit einem KGV von 50 sollte also am besten auch ein Gewinnwachstum von 50 haben. Neben dieser kleinen Regel, zählt auch das PEG-Ratio, also die Price/Earnings to Growth Ratio.

Bei unter 1 oder 1 spricht man von einer Unterbewertung. Alles darüber erfordert immer mehr Abwägung über die langfristigen Wachstumsaussichten. Wichtig ist auch immer der Sektorvergleich. So wird das PEG berechnet:

Man kann also eine Art Value Investing auch hier betreiben. Durch die rasanten Wachstumsraten dominieren heute viele Techkonzerne die Indices. Man sollte auf jeden Fall immer über das Geschäftsmodell nachdenken und auch überlegen, wie lange ein starkes Wachstum möglich ist.

Ein DCF-Modell eignet sich bei Fast Growern übrigens auch sehr gut, um eine Vorstellung einer Bewertung zu bekommen. Bitte aber immer das Zinsumfeld im Auge behalten. Wenn zukünftige Gewinne abgezinst heute nicht mehr so viel Wert sind, dann ist der Kurs ganz schnell hinüber, womit wir gleich zum nächsten Punkt kommen.

Welche Risiken bestehen?

In den letzten Wochen sind unter anderem durch Ankündigungen der FED, den Leitzins ändern zu wollen, sprich zu erhöhen, die Kurse einiger Techaktien stark unter Beschuss gekommen. Wie immer hat es Unternehmen mit einer weniger soliden Bilanz mehr erwischt. Wenn zu viele Gewinne im aktuellen Kurs eingepreist sind, dann ist es schnell vorbei mit dem Höhenflug. Man gucke sich Cloudflare oder Upstart an:

Man sieht hier, dass es beide stark erwischt hat. Das liegt an den absurden Bewertungen, obwohl kaum Gewinne erzielt wurden. Andere Unternehmen wurden weniger stark erwischt oder sogar noch mehr. Gerade notieren einige Unternehmen 30 oder mehr Prozent unter ihrem All-time-High. Vielleicht eine Möglichkeit, stabile Wachstumskandidaten einzusammeln. Wenn Kurse fallen, ergeben sich Kaufchancen.

Wachstumsaktien im Depot

Wie handhabt man aber diese Aktien nun im Depot? Wichtig ist, dass man seine Allokation hinsichtlich eigener Expertise, Erfahrung, Wissen und Risikobereitschaft gestaltet. Man muss wissen, dass nur 4% der Aktien ohnehin langfristig richtige Überflieger sind.

Die meisten Einzelinvestments haben eher die Chance, ein Totalverlust zu werden, als eine Kursrakete. Guckt Euch dazu gerne Tim Schäefers Beitrag auf seinem Blog an: https://timschaefermedia.com/nur-4-der-aktien-sind-langfristig-echte-ueberflieger-sie-zu-erwischen-ist-unwahrscheinlich/ Legt also für Euch fest, wie viel ihr wirklich in Aktienpicks im Allgemeinen investieren wollt und dann noch, wie viel davon in Wachstumsaktien angelegt werden soll.

Auch Valuewerte können floppen. Investiert am besten einen Großteil Eures Geldes in marktbreite ETFs. Ich bespare zum Beispiel den Vanguard FTSE All-World (Acc) bei Scalable Capital. Niemand hat sich mit einer marktüblichen Rendite geschadet. Man muss nicht immer der Starinvestor sein.

Betrachtung: Value oder Growth?

Nebenbei sei erwähnt, dass diese strikte Trennung von Value und Growth nur begrenzt Sinn macht. Man sollte möglichst Qualität kaufen, egal ob es sich um einen neumodischen Techkonzern oder eine Konsumgüterbude handelt. Solide Bilanzen sind wichtig. Free Cashflow, Gewinn, Gewinnwachstum, Schulden und alles weitere zählen. Viele Valuewerte waren früher rasante Growthwerte.

Dazu muss man nur Tabak oder Konsumgüter betrachten. Somit sind Werte wie Microsoft, Apple und Amazon für mich auch Valuewerte, auch wenn man sie oft nicht als solche bezeichnet. Wie aber können solche Bilanzen kein Value sein:

Solche Werte stehen für mich klar über einigen anderen Wachstumswerten, bei welchen noch viel zu viel Zukunftsmusik ist. Auch mit bestehenden starken Unternehmen kann man Rendite machen. Wenn die Bewertung wirklich viel zu hoch ist oder das Unternehmen zum Beispiel noch nicht mal einen guten Umsatz hat, dann kann man auch mal von einem Kauf Abstand halten.

Jeder sollte sich an die Dotcom-Blase erinnern. Viele Werte mit Internet im Namen waren hoch bewertet. Es folgte ein Crash. Unternehmen gingen insolvent und Anleger verloren ihr Geld. Man muss aufpassen, wenn solche Praktiken und wildes Hype-Investing wieder um sich greifen. Ein perverser Auswuchs ist für mich zum Beispiel Lucid Motors. Der als Tesla-Konkurrent gehandelte Autobauer hat weder Gewinn noch Umsatz und ist trotzdem mit 60 Milliarden Dollar bewertet.

Ende

Ich hoffe, Euch hat dieser kleine Blogpost über Wachstumswerte gefallen. Haltet Euch möglichst an die Grundlagen beim Investieren. Investiert in ETFs und nicht in Firmen ohne Bilanz. Ob Value oder Growth, am Ende zählt die langfristige Qualität und Fähigkeit der Unternehmen, Cashflows und Gewinne zu produzieren.

Ein paar Verluste tun aber auch gut, damit man nicht denkt, dass man der nächste Warren Buffett geworden ist und dann später noch härter auf die Nase fällt. Wenn Ihr möchtet, könnt Ihr gerne einen Kommentar dalassen, andere Blogposts lesen oder unseren Instagramkanal https://www.instagram.com/financeforfuture/ besuchen. Bis zum nächsten Post!

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